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Neue Osnabrücker Zeitung, 14. Oktober 2000

Mit dem Bachelor gegen den allgemeinen Negativ-Trend

Naturwissenschaften sollen endlich attraktiver werden

Von Stefan Lüddemann


Auch Professoren gehen in die Mensa. Die essen dort nicht nur. Sie finden auch interessante Dinge. Dem Physiker Prof. Peter Hertel hat es eine Postkarte angetan. Die zeigt einen Athleten beim Zieleinlauf und informiert auf der Rückseite darüber, dass die Deutsche Börse in Frankfurt Absolventen der Informatik, Physik und Mathematik sucht. Eine Kleinigkeit? Sicher nicht. Für Hertel ist der Fall klar. Die Postkarte ist ein Hinweis darauf, dass der Nachwuchs fehlt. "Und das betrifft alle Naturwissenschaften", sagt der Chemiker Prof. Hans Reuter.

Seit Jahren gehen den naturwissenschaftlichen Fächern die Studierenden aus. Das betrifft praktisch alle Hochschulen in Deutschland - auch die Universität Osnabrück. Die Professoren steuern zum neuen Wintersemester noch einmal kräftig gegen diesen Trend. Gleich drei neue Studiengänge gehen in Osnabrück an den Start. Mit dem Lehramtsstudiengang Chemie bekommen die Chemiker endlich ihren ersten grundständigen Ausbildungsweg. Die Angebote "Mathematik/Informatik" und "Physik mit Informatik" können mit dem Bachelor of Science nach sechs Semestern abgeschlossen werden. Für das neue Physik-Angebot gibt es schon den Master-Abschluß, der für den neuen Mathematik-Studiengang noch eingerichtet werden soll.

"Mit solchen Angeboten werden wir keine Studienabbrecher haben. Nun kann auch nach kürzester Studiendauer ein vernünftiger Abschluß erworben werden.", betont der Informatiker Prof. Oliver Vornberger. Dafür haben die Naturwissenschaftler ihre Hausaufgaben gemacht. "Der Kanon der Stoffe und Themen ist genauer festgelegt worden. Außerdem haben wir die studienbegleitenden Prüfungen konsequent eingeführt.", sagt Prof. Hertel. Mit anderen Worten: In den neuen Studiengängen konzentriert sich nicht der ganze Verlauf auf eine große Abschlußprüfung. Jedes Modul wird auch sofort geprüft. DAs hilft dem Studierenden, seine Leistung genau einzuschätzen.

Die präzisen Rückmeldungen werden allerdings auch mit einem Verlust an Freiheit erkauft. In der Bachelor-Phase sind die meisten Studieninhalte fest vorgegeben. Nur ein kleiner Teil der Inhalte kann vom Studierenden frei gewählt werden. "Meist wird es erst im Hauptstudium so richtig interessant", sagt deshalb Prof. Reuter. Wie seine Kollegen ist er gerade von den neuen Kombinationsstudiengängen besonders überzeugt. Reuter: "Der reine Chemiker ist nicht mehr so oft gefragt." Deshalb wünscht sich der Professor auch für die Chemie gemeinsame Studiengänge mit anderen Disziplinen.

Hertel und Vornberger sind in dieser Hinsicht von ihrem Konzept überzeugt. Nach ihrer Einschätzung benötigt der Arbeitsmarkt keine "Fachidioten" mehr, sondern verlangt Absolventen, die an der Schnittstelle der Disziplinen innovativ arbeiten können. "Die jungen Leute lernen, wie man lernt", betont Hertel. Schließlich müsse der Wissenserwerb nach dem Abschluß weitergehen.

Ob die neuen Angebote mehr Studierende in die Naturwissenschaften locken? Auf jeden Fall sollen die Studiengänge zu einem Imagewechsel führen. "Früher gehörte es ja fast zum guten Ton, dass man die Studenten in den Vorlesungen abhängte", sagt Vornberger. Das sei längst nicht mehr der Fall. Einen Wandel in diese Richtung fordern die Wissenschaftler auch für den Schulunterricht. Falsche Vermittlung der Fachinhalte habe dazu geführt, dass viele Schüler Mathe, Physik und andere Naturwissenschaften früh abwählen.

Einstweilen gibt es Hoffnungszeichen. Immerhin 14 junge Leute haben sich das neue Chemie-Angebot eingeschrieben. Nach Aussage von Prof. Reuter wird dieser Studiengang nur rund 25 Anfänger je Wintersemester aufnehmen können.


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